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Der 1967 Firebird eroberte mit seinem 400 CUI V8 Motor die Herzen vieler Amerikaner. Der Firebird war Pontiacs Eintrittskarte in die Trans Am-Rennserie der späteren sechziger und brachte vielfach wahre Rennlegenden im ganzen Land hervor. Diejenigen, die nichts mit dem Rennsport zu tun hatten, mochten die pure Kraft und Leistungsfähigkeit, hervorgerufen durch starke V8-Motoren und Heckantrieb, sowie das tolle Aussehen des Firebird. Sie liebten das aggressive Styling, welches sich klar von den öden Familienautos abhob. Und sie möchten die Erschwinglichkeit dieses Autos. Der Firebird ermöglichte es auch dem einfachen Amerikaner, die Leistung eines GT für sehr viel weniger Geld zu bekommen.

Aber Liebe macht trotz allem nicht gänzlich blind und der Firebird der 3. Generation fing langsam an, Spuren seines Alters zu zeigen, wurde doch die Basis bereits Mitte der 70er entwickelt und 1982 eingeführt. Und da die Weiterentwicklung im Fahrzeugbau immer schneller und weiter voranschritt, wurde es Zeit, den "Bird" auf den neuesten Stand zu bringen. Während die Notwendigkeit einer Erneuerung bereits Mitte der 80er klar wurde, war die Art und Weise wie dies geschehen sollte alles andere als klar. GM stellte damals ernsthaft Überlegungen an, den Firebird durch ein neues frontgetriebenes Konzept (intern als GM80 bekannt) ersetzen zu lassen. Dieser Plan, der dem Firebird als "Muscle Car" den Todesstoß versetzt hätte, wurde damals zum Glück aus Kostengründen verworfen. Leider ist dieses Kapitel damit trotzdem noch nicht vom Tisch (später mehr dazu). Stattdessen sollte dann der Firebird in der damaligen Version der 3. Generation bis zum bitteren Ende produziert und dann komplett aus dem Programm genommen werden. Zum Glück konnten sich die GM-internen und externen Fans durchsetzen und der Firebird blieb erhalten.

Der Ursprung des neuen Firebird geht ins Jahr 1987 zurück. Der GM80 war gerade gekippt worden. Die Mitglieder des ehemaligen GM80-Teams, unter Führung von Harvey Bell, machten sich nun Gedanken über die Modernisierung des Firebird mit dem Projektnamen C/F IV (Camaro/Firebird Fourth-Generation). Sie hatten aber im Grunde genommen nicht den leisesten Schimmer davon, wie sie dieses Vorhaben umsetzen sollten. Zu dieser Zeit ging es zudem auch recht turbulent im Hause GM vor. Die Company hatte gerade ein 10-Jahres-Programm in der Endphase, in dessen Zuge die gesamte Modellpalette aller Linien ausgedünnt wurde und bereits einigen Klassikern das Leben kostete. Außerdem kamen die Japaner mit ihren Autos immer stärker auf den Markt.

Die Antwort auf das Dilemma der Ahnungslosigkeit hieß "Quality Function Deployment", kurz QFD. Dieses Verfahren wurde in den frühen 70ern von einer Japanischen Werft entwickelt und sollte jetzt der Company helfen, die Bedürfnisse der zukünftigen Firebird-Fahrer zu analysieren. Durch die gesammelten Informationen sollte es dann möglich sein, ein Auto zu entwickeln, das möglichst vielen Bedürfnissen gerecht werden sollte. Der Vorteil von QFD war, das es alle Fragen und Entscheidungen auf nur einen gemeinsamen Nenner brachte, und dieser lautete: Was ist das Beste für den Konsumenten? Das C/F IV - Team begann mit diversen Untersuchungen und Analysen um die Anforderungen der Firebird- und Camarokäufer zu ermitteln. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden die "Voice of the Costumer" genannt und in Hunderten von Stichpunkten und zu erreichenden Zielen zusammen gefasst.

Manchmal wurden zur Zielermittlung Fahrzeuge von Fremdfirmen als "Benchmark" hinzugezogen. Als Beispiel sei erwähnt, das als eines der Testfahrzeuge ein Porsche 928 benutzt wurde. Der 928 hatte exzellente Bremsen, sodass diese Eigenschaft in Verbindung mit der Leistungsfähigkeit als Messlatte für die Bremsen des Firebird genommen wurde. In anderen Bereichen wollte man schlicht besser sein, als alles bisher da gewesene. Im Falle des Firebird wurde seitens der Käufer die Performance und ein gutes Handling an erster Stelle der Liste gesehen. Also machte sich das Team an die Arbeit und "übersetzte" diese und alle anderen Anforderungen in objektive Standards, mit denen die Ingenieure besser arbeiteten konnten. In einigen Fällen wurden diese Standards als reine Zahlenwerte vorgegeben, wie zum Beispiel die Zeit für 0 auf 100.In anderen Bereichen konnten die Ingenieure nicht mit derart klaren Werten arbeiten. Beispiel hierfür sei die "Linear Range". Mit "Linear Range" ist der maximal erreichbare G-Wert gemeint, den man mit eingeschlagenem Lenkrad erreichen kann. Auf gut Deutsch: Wie schnell kann ich ihn eine Kurve fahren, ohne mit Untersteuern Probleme zu kriegen? "Wir meinen, das dies einer der Bereiche ist, in dem sich der Wagen echt gut anfühlt" meint Bell dazu.

QFD zeigt auch den Weg des Antriebssystems auf. "Wir haben uns die unterschiedlichsten System angesehen" sagt Bell "aber die Leute waren und sind absolut verrückt nach V8-Motoren. Eine unglaublich große Menge an Käufern vertraut weniger der Technologie, sondern mehr dem Hubraum."

Somit war das Team in den Jahren 1987 und 1988 sehr damit beschäftigt, das Auto zu konzeptionieren, immer mit Blick auf die "Voice of the Costumer". Das Team erstellte eine Liste mit Änderungen, die das Auto zu dem machten, wie es die Käufer heute so lieben. Einige der Hauptverbesserungen betrafen die verstärkte Karosserie, die Vorderradaufhängung, ein neuer V6 für das Basismodell und ein Hochleistungs-V8 für den Formula und Trans Am sowie eine 6-Gang-Handschaltung für die V8-Motoren. Hinzu kamen vielfache Verbesserungen hinsichtlich der Sicherheit und des Umweltschutzes. Dies äußerte sich in einer Ozonfreien Klimaanlage, ABS und verbesserten Abgaswerten.

Die Firebird-Liebhaber Bell, Robertson und andere Mitglieder des Teams hatten eine ziemlich genaue Vorstellung über den neuen Bird. Aber sie mussten sehr schnell einsehen, das es mit einer einfachen "Erneuerung" des bestehenden Modells nicht getan sein. "Die ursprüngliche Vorgabe bestand darin, dem bestehenden Firebird eine neues Aussehen zu verpassen und ihn somit Weltklasse zu machen." Als sich das Team allerdings den damals aktuellen Stand der Weltklasse ansah, wurde ihnen klar, dass des damit nicht getan sei. "Wir sahen uns den aktuellen Firebird an, und überlegten, welche Teile wir davon in den neuen mit übernehmen können. Allerdings wurde nach genauerer Überprüfung die Liste der übernembaren Teile immer kleiner. "Wir wollten ja einen besseren Motor, ein besseres Fahrwerk und auch die T-Tops neu gestalten. Und wir wollten all die kleinen Macken des alten Modells beseitigen." Als sie anfingen, sich durch alle Teile durchzuarbeiten, verdoppelten sie dadurch den Aufwand des gesamten Projektes.

Aber dann nahm das ganze so langsam Gestalt an. Der Frontmotor mit Hinterachsantrieb war selbstverständlich. Die Motorauswahl fiel auch nicht weiter schwer. GM hatte zu dieser Zeit die unterschiedlichsten Motorvarianten in Arbeit. Dazu gehörten auch der neue Corvette LT1-Motor sowie der neue Pontiaceigene 60° gewinkelte V6. Und BorgWarner beendeten gerade die Entwicklung des neuen T56 6-Gang-Handschaltgetriebes, welches perfekt zum V8 passen sollte.

Dafür gab es andere Probleme. Die Struktur, also der gesamte Aufbau des Firebird, mußte eine sehr viel größere Festigkeit und Verwindungssteifheit bekommen, als es jemals bei den Vorgängern der Fall war. Eine solide Plattform sollte auch den Dämpfern und Feder eine effizientere Wirkung erlauben, anstatt nur die Räder auf dem Boden zu halten und alles weitere an die Karosserie weiterzureichen. Eine bessere Struktur verleiht dem Fahrzeug auch ein besseres Feeling und höhere Qualität. Ein Fahrzeugaufbau, der nicht bei jeder Welle mitarbeitet und somit auch eine höhere Lebensdauer hat. "Der Schlüssel zum Ziel war eine Festigkeit, die über viele Jahre hinweg das klappern und knirschen verhindert." meint Ted Robertson dazu. "Ich sage Ihnen, ich bin überzeugt davon, dass wir hier ein extrem robustes Auto in der Hand haben."



Als nächstes kümmerte man sich um Aufhängung und Lenkung. Eine Frage war, ob das bisherige Prinzip der Hinterachse weiter verwendet werden sollte, oder man lieber eine unabhängige Hinterradaufhängung bauen sollte. Aus kostengründen wurde das bisherige Prinzip beibehalten aber trotzdem einer starken Verbesserung unterworfen. Alle vier Räder erhielten Hochdruck - Monotube - Gasdruckstoßdämpfer. Dies ergab eine bessere Kontrolle über die ungefederte Masse. Die MacPherson-Aufhängung der Vorderräder musste ebenfalls dran glauben und durch eine sogenannte Short- /Long- Arm- Aufhängung ersetzt.

Für das Lenksystem wählte das Team das "Saginaw Power Rack" der Corvette und für die Bremse, dessen Vorbild noch immer der 928 war, wurden neu Bremsen mit größeren und dickeren Scheiben entwickelt. Das Delco Moraine ABS IV - System wurde zum Standard aller Firebirdmodelle. Und während sie all dies Verbesserten hatten sie stets die Bedürfnisse der Kunden im Sinne. "Der Fahrer möchte spüren, daß er die Kontrolle über das Fahrzeug hat. Sie wollen wissen, dass sie das Auto in jeder Situation perfekt und einfach fahren könne, sei es in der Rush-Hour, beim Spurwechsel oder bei der Parkplatzsuche beim Supermarkt. Die Ingenieure gaben uns bei diesem Fahrzeug genau dieses Gefühl".

Um die Balance und das Feelings des Autos zu verbessern, wurden Langzeiterprobungen durchgeführt. Dafür wurden unzählige Fahrten quer durchs ganze Land von Phoenix nach Detroit unternommen, die jedesmal über eine andere Strecke gingen. Dies sollte des Fahrern die Möglichkeit geben, mit dem Fahrzeug und der darin enthaltenen Technologie "allein" zu sein. Diese unzähligen getarnten Autos (teilweise aus alten Camaros und Firebirds wild zusammengeschraubt, siehe Bild unten) waren allesamt mit den unterschiedlichsten Untersystemen des neuen Firebird ausgerüstet. Ein Fahrzeug hatte die neue Vorderradaufhängung installiert während ein anderes mit dem neuen Antrieb fuhr. Somit konnten die einzelnen Komponenten unter realen Bedingungen getestet werden. Es mag sich toll anhören, als Testfahrer quer durch das ganze Land zu fahren, die Realität sah allerdings etwas anders aus. Die Fahrer fuhren beim Morgengrauen los und hielten erst bei Sonnenuntergang wieder an und in der Nacht wurde am Fahrzeug geschraubt.

Und wenn ein Prototyp unterwegs kaputt ging? Nun, man kann sich leicht vorstellen, daß es nicht möglich ist, bei jedem Wagen ein Begleitfahrzeug hinterherfahren zu lassen. Händler konnten natürlich auch nicht weiterhelfen. Wo sollte man den Teile für ein Auto bekommen, das es noch gar nicht gibt?! Auf Schrottplätzen galt gleiches. Also mußten die Fahrer und Techniker den Schaden an Ort und Stelle mit eigenen Händen beseitigen.

Diese lange Erprobung hatte aber zur Folge, das man sich in den neuen Firebird setzen konnte und sofort ohne große Probleme eine kurvige Strecke schnell abreiten konnte. Bei den Vorgängermodellen war es eher so, daß man eine gewisse Eingewöhnungsphase brauchte, bevor man wußte, wie man dieses Auto hart fahren kann (Besitzer der 3. Generation können dies sicherlich bestätigen).

Als der Firebird im Laufe der Zeit aus einer Ansammlung von getesteten Teilen zu einem richtigen Prototyp wurde, konnten auch die weiteren Probleme angegangen werden. Beispiele hierfür seien z.B. die Fahrtwinde, die bei rahmenlosen Türen schon immer ein Problem waren. Der Windfluss um die Türen herum wurde deswegen entscheidend verbessert. Des weitern wurde sehr viel Zeit im Windkanal verbracht, um das Auto auf einen heutzutage üblichen CW-Wert von 0.32 zu bringen. Zusätzlich wurden im Windkanal die Scheibenwischer "bearbeitet. Ziel war es hier, ein Abheben der Scheibenwischer bei hoher Geschwindigkeit zu vermeiden, welches sich aufgrund der steilen Windschutzscheibe sehr schnell ergeben konnte.

Das T-Top stellte ebenfalls eine Herausforderung dar. Hier ging es darum die Dichtigkeit zu verbessern. Die früheren Dichtungen bestanden aus Silicon-imprägnierten Gummi und ließen das Regenwasser über kleine Rinnen entlang der A- und B-Säule ablaufen. Durch eine neue Konstruktion wird das Wasser jetzt nicht nur besser draußen gehalten sondern auch umgeleitet. Um dem Dach und somit dem gesamten Fahrzeug mehr Festigkeit zu geben, wurde eine spezielle Falztechnik für die Dachkonstruktion eingeführt.

Aber das cleverste Design nützt gar nix, wenn die Arbeiter in der Fabrik das ganz nicht ohne Probleme bauen können. Daher wurden für den Firebird neue Wege gegangen. Kabelbäume und deren Verbindungen wurden jetzt so gelegt, das sie leicht zu sehen und erreichbar waren und nicht unter Verkleidungen versteckt wurden. Die Verbindungen wurden einfach zusammen-"geklickt".

Die späteren seriennahen Prototypen wurden dann noch sehr extremen Tests unterzogen. Dafür besitzt General Motors sein sogenanntes "Desert Proving Ground" nahe Phoenix. Die Techniker nahmen einen Trans Am V8 mit 4-Gang-Automatik (interne Nummer P3F213) und ließen dieses arme Auto innerhalb von 8 Monaten satte 100.000 Meilen der unmöglichsten Strecken und Untergründe auf dem Gelände abreiten. Danach entstauben sie das Fahrzeug und ließen es einen Test von weiteren 100.000 Meilen durchführen. Danach wurde das Fahrzeug komplett zerlegt und sogar der Rahmen zerschnitten, und alle Teile auf ihren Zustand hin überprüft. Manche Techniker scherzten, das dieses neue Auto wie ein Panzer gebaut sei. In der Tat waren in der Vergangenheit viele Testfahrzeug an diesem Programm elend zugrunde gegangen, zeigten Risse im Rahmen oder hatten defekte Verbindungen. Aber dieses Fahrzeug war im Ergebnis noch wie neu.

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